Zur Adoption freigegeben
Soll ich meinen neuen Hund aus dem Tierheim holen?

 

Auf Anhieb fallen mir viele Gründe ein, einen Hund aus dem Tierheim zu adoptieren. Allen voran steht natürlich der Tierschutzgedanke. Aber es gibt auch viele Aussagen, die gegen die Adoption eines Hundes aus dem Tierheim sprechen – oder sind das doch „nur“ Vorurteile?

Du wirst mir zustimmen, wenn ich sage, dass nicht jeder Hund zu jedem Menschen passt und dass dies nicht nur von der Hunderasse abhängt. Wir sollten uns also Gedanken machen, wo wir nach unserem neuen Begleiter suchen. Ich will dir in diesem Artikel eine kleine Entscheidungshilfe anbieten.

Hunde aus dem Tierheim: Prüfung bestanden!

Ein erwachsener Hund kann auf seine Charaktereigenschaften getestet werden.  Durch diesen Test können sowohl die Persönlichkeiten als auch die Bedürfnisse von Hund und Halter grundlegend aufeinander abgestimmt werden.

Du wünscht dir einen Hund, der freundlich gegenüber Menschen ist? Zum Beispiel um den Tag gemeinsam in Büro zu verbringen?
Dein Hund soll der perfekte Kumpel sein – egal ob im Café oder beim Treffen mit Freunden?
Du bist besonders sportlich – und das soll auch der Vierbeiner sein?

Mit den entsprechenden Testkriterien kann man die Eignung eines erwachsenen Hundes feststellen – und die Weichen für ein glückliches Zusammenleben von Hund und Halter stellen. Ein Vorteil für beide Seiten – denn auch der Hund soll doch seinen Hobbys und Fähigkeiten in der zukünftigen Beziehung nachgehen dürfen, oder?

Übrigens: Nach aktuellen Studien sind sowohl  Halter als auch  Hunde, mit ähnlichen Charaktereigenschaften, zufriedener miteinander, als solche, die sich sehr unterscheiden. In rein menschlichen Beziehungen sind wir uns ja nicht immer so richtig einig, ob sich Gegensätze jetzt doch eher anziehen oder abstoßen, gell?

Labrador - Familientaugliche Hunde
Labrador – eine Hunderasse, der man nachsagt familienfreundlich zu sein.

Eine (Lebens)Geschichte

Das Personal von Tierheimen bemüht sich oft sehr, möglichst viel über die Vorgeschichte des Hundes in Erfahrung zu bringen.

Mit gutem Grund: Viele Verhaltensweisen der Tiere sind besser zu verstehen, wenn man die Vorgeschichte kennt. Genauso wie bei uns Menschen beeinflussen Erfahrungen und Lebensumstände das Verhalten – wir alle kennen das bei uns selbst.

Ich selbst habe solche Fälle bereits begleitet. Cindy und Andreas hatten sich gesucht und gefunden. Trotzdem waren da einige Verhaltensweisen, die Andreas nicht akzeptieren konnte und wollte, zum Beispiel das vehemente Aufreiten Cindys. Mit passendem Training und auf Cindy abgestimmte Aufgaben ist nach einigen Monaten ein verschmuster und zuverlässiger Alltagshund geworden.

No kiss on the first date

Mein wichtigster Tipp für Sie:

Lernen Sie Ihren zukünftigen Gefährten kennen! Selten wird man sein Gegenüber nach dem ersten Date sofort heiraten. Dies wird bei Mensch-Hund-Beziehungen oft unterschätzt. Gerade Hunde aus dem Ausland werden oft nach Fotos ausgewählt und dann erst nach Deutschland importiert.

Oft wird übersehen, dass die Beziehung zwischen Mensch und Hund für die nächsten 10 – 15 Jahre andauern kann – und doch auch glücklich sein soll.

Im örtlichen Tierheim haben Sie die Chance, den Wunschhund vorher kennen zu lernen, ihn zu besuchen, die ersten Runden um den Block zu drehen – einzuschätzen, ob Sie zusammen passen. Nutzen Sie diese Chance!

Viszla - anspruchsvoller Hund für erfahrene Halter
Viszla – unserer Meinung nach ein anspruchsvoller Hund für erfahrene Halter, der sich aktuell trotzdem auch bei Einsteigern steigender Beliebtheit erfreut

Auch ein Hund verdient eine 2. Chance

Diese Überschrift könnte auch lauten: Ein Hund sucht sich sein Schicksal nicht aus.

Eigentlich gehen wir doch oft recht willkürlich mit dem Schicksal der Hunde um, oder? Dieser Welpe kommt hierhin, jener Hund wird dorthin verkauft – den Betroffenen selbst können wir ja nicht fragen. Die Gründe, weshalb ein Hund ins Tierheim einzieht, sind oft unterschiedlich. Vom ausgesetzten Hund, einem verstorbenen Halter, über Halter, die zu wenig Zeit haben oder Zuwachs in der Familie erwarten – um dir nur einige Möglichkeiten zu nennen.

Das Tierheim ist für Hunde ein großer Schock. Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir haben oft in Tierheimen tolle Leute die alles Menschenmögliche tun, um ihren Gästen eine möglichst gute Zeit zu gestalten. Trotzdem bedeutet das Tierheim einen absoluten Bruch mit dem bisherigen Leben und den bisherigen Beziehungen. Auch ein Hund muss sich schützen – und so reagiert jeder Hund vollkommen anders. Manche zeigen Angst, Aggression, Ignoranz oder werden zu Rüpeln – oft einfach nur als Schutzreaktion um mit den neuen Umständen überhaupt umgehen zu können. Vergessen wir nicht – Hunde leben in einem engen sozialen Verbund mit Ihren Menschen!

Gerade dabei  ist die Einschätzung durch das Tierheimpersonal oder den Hundetrainer Ihres Vertrauens viel wert – die äußeren Anzeichen können täuschen.

Die Adoption aus dem Tierheim hat zwei Vorteile:

  1. Jeder Hund, der in ein neues Zuhause entlassen werden kann, macht Platz für einen, der sein Zuhause verloren hat. Noch viel Wichtiger:
  2. Eine Adoption bedeutet für den Hund eine zweite Chance auf eine neue Zukunft. Und – lassen Sie uns ehrlich sein – jeder hat doch eine zweite Chance verdient!

Der Mythos Welpe

Oft höre ich, dass ein Welpe doch besser ist als ein Hund aus dem Tierheim.

Hm. Ein Welpe darf frühestens ab der 8. Lebenswoche seine Mutter verlassen – aber gerade die ersten Wochen sind  besonders prägend. Eine gute Kinderstube ist hier essentiell. Vor Welpen von sogenannten „Vermehrern“ oder aus anderer dubioser Herkunft möchte ich warnen – oft erleben diese Welpen eine schwierige erste Zeit – dies kann zu lebenslänglicher Unsicherheit, Ängstlichkeit und auch zu Aggressionen führen.

Eine Herausforderung für Hund und Halter die oft schwer zu meistern ist.

Einen Welpen aufzuziehen ist so fordernd wie ein Kind groß zu ziehen – es dauert nur nicht ganz so lange. Trotzdem – ein Welpe „entschleunigt“ das Leben für ein ganzes Jahr. Er muss anfangs alle 3 Stunden Gassi, bis zum Alter von einem Jahr gilt 5 Minuten Bewegung pro Lebensmonat mit anschließender mehrstündiger Pause. Hast du eine Familie mit kleinen Kindern, solltest du daran denken, dass eine Beißhemmung beim Welpen erst erlernt werden muss . Außerdem sollte der Welpe auf sein zukünftiges Leben mit den ersten Lernerfahrungen vorbereitet werden, zum Beispiel in der Welpenstunde – Du siehst, einen Welpen groß zu ziehen kann sehr fordernd sein.

Hundewelpen - eine gute Kinderstube ist essentiell
Klar, Hundewelpen können uns schnell den Kopf verdrehen! Achte bitte unbedingt auf seriöse Züchter und eine gute Kinderstube.

Also nur noch Hunde aus dem Tierheim?

Ja – und Nein. Ich möchte eine kleine Lanze dafür brechen, dass du dir als zukünftiger Hundehalter in aller Ruhe überlegst, welcher Hund zu dir passt und wie viel Zeit du investieren kannst.

  • Beim Welpen kommt es vor allem auf eine gute Kinderstube an.
  • Hunde aus dem Tierheim sollten in aller Ruhe kennen gelernt und getestet werden.
  • Sportlichen Menschen und Familien möchte ich einen erwachsenen Hund ans Herz legen.

Ein Welpe darf sich bei Weitem nicht so viel bewegen, wie ein erwachsener Hund. Ein erwachsener, gesunder Hund aus dem Tierheim kann der ideale Partner sein. Wünschen du dir einen Welpen und hast die Zeit und Möglichkeiten für diesen zu sorgen – erfüllen dir diesen Wunsch.

Der Hund kann sich sein zukünftiges Zuhause nicht aussuchen – aber er hofft sicher auf ein Verständnis- und liebevolles Zukunft.

Des Menschen bester Freund? Ganz sicher sogar!

Abschließend möchte ich ein paar persönliche Eindrücke mit dir teilen.

In meiner Arbeit durfte ich bereits viele Mensch-Hund Teams mit Tierheimhintergrund begleiten. Ich bin immer wieder überrascht, was für großartige Beziehungen zwischen Hund und Mensch entstehen, wenn Sie in ein Zuhause mit Struktur, Aufgaben, Auslastung, Liebe und Zuwendung kommen. Da war zum Beispiel Benno, der gelernt hatte, dass Beißen zielführend ist. Mit Feli und Fabian hat Benno neue Besitzer gefunden, die ihn verstehen, ihn auslasten und über alles lieben. Beißen muss Benno nicht mehr – er wird verstanden.

Ich bin sehr stolz auf all die Mensch-Hund Teams, die auch teilweise sehr schwierige Starts gemeinsam überwunden haben. Macht unbedingt weiter so!

Der Hund - des Menschen bester Freund
Mit Sicherheit ein tolles Team: Mensch und Hund.

Verständnis ist der Schlüssel. Für Mensch und Hund.

Mach dir die Mühe, deinen Hund zu verstehen, den Gründen nachzugehen, warum er gewisse Verhaltensweisen zeigt.

Wer sich die Mühe macht, seinen Hund zu verstehen und an der Beziehung zu seinem Hund arbeitet, der wird über Kurz oder Lang einen unbezwingbaren Freund an seiner Seite haben. Ich freue mich auf jeden Fall auf jeden Menschen, der den Schritt wagt und einem Tierheimhund ein neues Zuhause schafft. Bis dann.


 

Bildquellen: pixabay.com / Werner Schmid / Lukas Pokorny

Über diesen Artikel

Dieser Artikel ist außerdem im Druckformat der „Schnüffel“, Zeitschrift des Tierschutzvereins Regensburg und Umgebung e.V. erschienen (Ausgabe 8, Winter 2016).

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